Chatkontrolle in der EU: Das Ende jeglicher Privatsphäre?
von Niklas Greimann
Die EU-Kommission hat mit ihrem Vorschlag zur Einführung der sogenannten Chatkontrolle eine hitzige Debatte ausgelöst. Die Chatkontrolle zielt darauf ab, die Kommunikation in digitalen Diensten zu überwachen, insbesondere um den Missbrauch von Kindern zu bekämpfen. Dieser Vorschlag hat jedoch zahlreiche Kritiker:innen auf den Plan gerufen, die vor einer massiven Einschränkung der Privatsphäre und Grundrechte warnen. Dem möchten wir in diesem Beitrag gerne auf den Grund gehen.
Also – worum geht es denn jetzt eigentlich ganz genau?
Wohl jede:r Leser:in dieses Beitrags wird entweder Signal, WhatsApp, Threema, Telegram oder eine andere Instant-Messaging-App fürs Kommunizieren mit dem Smartphone nutzen. Und insbesondere Signal oder Threema legen besonderen Wert darauf, dass die Kommunikation sicher und verschlüsselt ist.
Kurzum: wir alle verlassen uns darauf, dass das, was wir verschicken, sicher ist, seien es Fotos, Textnachrichten oder Videos.
Diese Sicherheit stand vor kurzem völlig vor dem Aus. Nur durch massiven Widerstand wurde die Abstimmung über eine Chatkontrolle von den Tagesordnungspunkten entfernt. Aber was wäre denn genau passiert, wenn die Chatkontrolle eine Mehrheit gefunden hätte?
Gar nichts mehr ist privat, sollte die Chatkontrolle beschlossen werden
Die Verschlüsselung wäre weiterhin intakt, aber die Inhalte nicht privat. Wie das sein kann? Die EU hat sich dafür den Begriff „Upload-Moderation“ ausgedacht. Kurzum: wer Fotos verschicken möchte, der muss sich einverstanden erklären, dass jedes einzelne Foto vorher untersucht und gescannt wird. Wer sich zu dieser Überprüfung nicht bereit erklärt, wird einfach keine Fotos mehr über einen Messenger verschicken können. So viel zum Thema „Freiwilligkeit“ der Einwilligung, wie es als Grundsatz in der DSGVO vorgesehen ist.
Die Aussage der EU ist zwar korrekt, da die Verschlüsselung nicht aufgehoben wird. Aber was bringt es mir einen sicheren Transport zu haben, wenn die Nachricht vorher bereits gelesen wurde?
Ursprünglich ging der Vorschlag zur Kontrolle sogar noch weiter: es sollten neben den Fotos auch alle Text- und Sprachnachrichten überprüft werden. Mit anderen Worten: nichts, wirklich gar nichts mehr, das Du über deine bevorzugte Messenger-App verschicken wolltest, wäre irgendwie anonym gewesen.
Das Ziel dahinter: die Verbreitung von Kinderpornographie verhindern oder zumindest erschweren. Zweifelsohne ein ehrbares Ziel. Aber das dafür dann wirklich 500 Millionen Europäer:innen ihre private Kommunikation aufgeben müssen, erscheint unverhältnismäßig. Zu dieser Einschätzung kommen auch zahlreiche weltweit führende IT-Sicherheitsforscher:innen, zahlreiche Wissenschaftler:innen und die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen.
Fazit
Durch einen übergriffigen Staat droht uns nicht nur das Ende der Privatsphäre, sondern wir müssen uns auch die Frage nach der internationalen Signalwirkung stellen: wenn wir, die sich als freiheitliebend und liberal verstehen, eine Überwachung einführen, die jegliche private Kommunikation zwischen Bürger:innen überwacht – was glaubst Du, passiert dann in Ländern wie China oder den USA? Mit Ländern, wo politisch Andersdenkende sowieso schon unter Beobachtung stehen, die sich aber noch auf die Sicherheit der Kommunikation verlassen?
Der Kampf gegen die Chatkontrolle ist definitiv noch nicht gewonnen, aber zumindest wurde ein kleiner Etappensieg errungen.
Über den Autor: Niklas Greimann
Niklas ist Trainer und Produktmanager für den Bereich Datenschutz. Als ausgebildeter Jurist mit dem Schwerpunkt Datenschutz steht er unseren Teilnehmern jederzeit Rede und Antwort. Dank seiner langjährigen Erfahrung in verschiedenen KMUs kann er in seinen Trainings einen hohen Praxisbezug herstellen. Niklas legt Wert auf den Austausch zwischen den Teilnehmern und darauf, seine Schulungen abwechslungsreich und kurzweilig zu gestalten.
13.08.2024