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Neues aus IT-Management und Weiterbildung

Mach’s wie Lieutenant Columbo – do the „Gemba Walk“

Wie ITIL 4 bewährte Management Konzepte integriert

von Norbert Witzel

Berichte und Statistiken spiegeln, wie die praktische Erfahrung zeigt, die Realität oft (gelinde gesagt) nicht genau wieder. Ein tatsächliches Bild der Realität können sie daher kaum vollständig vermitteln. Schon gar nicht in einer Welt die VUCA und BANI ist. Es folgt daher ein Plädoyer für den „Gemba Walk“.

Eine meiner Lieblingssendungen ist „Columbo“ – eine Krimiserie aus dem letzten Jahrhundert, in der Peter Falk alias Lieutenant Columbo auf unkonventionelle Art Mörder und Mörderinnen überführt; er nutzt dabei u.a. tiefgehende psychologische Erkenntnisse und ist am Tatort (dem Gemba) präsent.

Das Setting bei Columbo ist so aufgebaut, dass wir zu Beginn den Mord beobachten können; die Frage des „who‘s done it“ wird also schon zu Beginn beantwortet. Es bleibt die Frage, wie Columbo den Mörder überführt. Dieses Setting ist bereits Namensgeber für eine Präsentationstechnik, bei welcher wir als Präsentatoren das Fazit vorwegnehmen und dann erläutern wie wir dazu kommen – im Gegensatz zur „Agatha-Christie“-Methode, bei der es andersrum läuft.
Das ist aber nicht unser Thema.

Auch nicht der Fun Fact oder die 500-Tausend-Euro Frage bei „Wer wird Millionär“: Wer hat Regie beim ersten Columbo geführt? Kleiner Tipp: Der Regisseur war damals 24 Jahre alt und wir kennen ihn alle.

Unser Thema ist die Bedeutung des „am Tatort“, am Gemba, sein. Gemba ist japanisch, was schon ein Indiz zum Ursprung ist und bedeutet „Ort des Geschehens“ oder eben „Tatort“.

Wenn Columbo am Tatort ist

  • bemerkt er scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten: Wie sind die Schuhe des Opfers gebunden (wer hat sie gebunden); ist der Kaffee des Opfers kalt (Tatzeit); war das Licht aus (wer hat es ausgeschaltet); welcher Musiksender ist im Autoradio eingestellt (wer ist damit gefahren); sind Eselsohren im teuren Buch (hätte der angebliche Selbstmörder nie gemacht); …
  • hört er genau und aktiv zu,
  • erkennt er ungewöhnliche Vorgänge und insbesondere Verhaltensweisen.

ITIL, auch in den 80ern des letzten Jahrhunderts entwickelt, mag Columbo auch gesehen haben – und/oder von anderen Konzepten angeregt worden sein. Jedenfalls ist es segensreich, wie uns ITIL entsprechende Erkenntnisse mitgibt:

  • Schon in der Foundation: Services sollen direkt gemessen und/oder beobachtet werden, denn: „In Organisationen besteht häufig eine Diskrepanz zwischen Berichten und Realität. Dies liegt an der Schwierigkeit, bestimmte Daten genau messen zu können, oder an der unbeabsichtigten Verzerrung von Daten in Berichten. Daten von der Quelle zu erhalten hilft, Annahmen zu vermeiden, die fatale Auswirkungen auf Zeitpläne, Budgets und die Qualität von Resultaten haben können, falls sie sich als falsch herausstellen.“
  • Die Practice-Guides empfehlen als einen der Kernschritte die Analyse von Wertströmen: „Do the service value stream walk” – collect data as you walk.
  • In den Grundprinzipien und in der Practice Continuous Improvement: Führe ein intensives Assessment durch

Wir finden hier in ITIL also Quintessenzen, Ergebnisse und Best Practices aus unterschiedlichen erfolgreichen Management-Konzepten:

  • Lean-Management: Gemba Walks sind ein wesentlicher Bestandteil der Lean-Management-Philosophie. Manager beobachten den tatsächlichen Arbeitsprozess, verstehen die Arbeit, stellen Fragen und lernen. Dies führt zu einem besseren Verständnis des gesamten Wertstroms und seiner Probleme, anstatt sich auf Berichte aus zweiter Hand und eine idealisierte Abstraktion des Arbeitsplatzes zu stützen.
  • Scrum: Scrum basiert auf Empirie und Lean Thinking. Empirie bedeutet, dass Wissen aus Erfahrung gewonnen wird und Entscheidungen auf der Grundlage von Beobachtungen getroffen werden.
  • Stephen R. Covey / 7 Habits of highly effective people: First understand – then to be understood.

Take Aways – Was können wir daraus lernen?

  • Scharfe Beobachtungsgabe:
    Es empfiehlt sich, kleine Details und Muster in der Arbeitsumgebung und im Verhalten der Kollegen/Mitarbeiter zu erkennen. So können u.a. potenzielle Probleme frühzeitig identifiziert und gelöst werden.
  • Der Blick fürs Detail:
    Es ist wichtig, alle Aspekte einer Situation zu berücksichtigen, auch wenn sie auf den ersten Blick irrelevant erscheinen. Kleine Details können oft wichtige Informationen liefern, die zur Verbesserung von Prozessen oder zur Lösung von Situationen beitragen.
  • Aufmerksamkeit für zwischenmenschliche Dynamiken:
    Es lohnt sich, auf subtile Signale in den zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb des Teams zu achten, um u.a. Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu lösen, die Teamarbeit zu verbessern und ein positiveres Arbeitsumfeld zu schaffen.

Wenn wir eine Kultur des Gemba Walks für uns, unser Team, unsere Organisation und unser Ökosystem, also auch mit unseren Konsumenten und Lieferanten, entwickeln, steigern wir das gegenseitige Interesse und Verständnis füreinander – ganz im Sinne der Grundprinzipien: Wertorientierung sowie Zusammenarbeit und Transparenz fördern.

Der Gemba, „Ort des Geschehens“, „wahrer Ort“ oder „realer Ort“ ist wörtlich zu nehmen, also: Die Fabrikhalle, das Büro, die Werkstatt, die Verkaufsstelle, das Callcenter, …. der Ort,

  • an dem die Wertschöpfung und damit die „eigentliche Arbeit“ stattfindet,
  • an dem mit dem Konsumenten (Anwender, Kunden) interagiert wird.

ACHTUNG: Zum Abschluss die grundlegenden Unterschiede zu Columbo:

  • Wir wollen keine Täter überführen oder Schuldige suchen. Stattdessen braucht es Vertrauen und ggf. Geduld dieses entstehen zu lassen, es kommt nicht von allein.
  • Wir Beobachten nicht, weil wir „alles besser wissen“, als diejenigen, die wir „besuchen“ und/oder „beobachten“.

Der Gemba Walk ist kein Rundgang des Aufsehers oder des Besserwissers. Für diese Ambiguität (VUCA) brauchen wir beim Walk Empathie und Fingerspitzengefühl. Auch das lehrt uns ITIL.

Das Ziel ist, ein Vertrauensverhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitern aufzubauen, das auf gegenseitigem Respekt beruht. Dafür und um der Entfremdung des Managements von den eigentlichen Prozessen entgegenzuwirken, wurde der Gemba Walk von Taiichi Ohno in den 1980ern entwickelt.


Über den Autor: Norbert Witzel

Norbert ist Experte für ITIL. Er hat mehr als 20 Jahre Erfahrung auf C-Level in unterschiedlichen Branchen. Er war bereits als CFO, Leiter Zentrale Dienste, Geschäftsführer und als Aufsichtsrat tätig. Ebenso bringt er Erfahrungen aus Großprojekten mit, hat individuelle Kundenprojekte und M&A Projekte geleitet. Seit vielen Jahren gibt er sein Knowhow und seine Erfahrungen auch als Berater, Trainer und Lehrbeauftragter an Hochschulen weiter.

21.03.2024

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